Das Ende einer weiten Reise

[Alachia]

Es war bereits Nacht geworden und eine fremdartige Kälte hatte sich über Teldrassil gelegt.
Die beiden Nachtelfen hatten einen weiten Weg hinter sich, doch sie waren sich sicher, dass sie ihr Ziel bald erreicht haben mussten. Thain, dessen Augen selbst die kleinsten und entferntesten Dinge zu erkennen vermochten, erspähte bereits den mystischen Schimmer, der die Gegend von Aldrassil umgab. Ja, sie waren endlich da. Immer wenn Thylea zu dem Weltenbaum zurückkehrte, was selten genug passierte, keimte eine große Freude in ihr auf, die ihr Herz schneller schlagen ließ.
Nurnoch wenige Schritte trennten sie und Thain von Aldrassil und seinen Bewohnern. Dort - so erhofften sie sich jedenfalls - würden sie auch Corryn antreffen. Thylea wusste zwar, wie sie sich bei einem hohen Diener des Waldes zu verhalten hatte, doch sie war sich nicht sicher, ob ihr Gefährte dies ebenfalls wusste.

Sie suchte die Umgebung nach jenem Druiden ab, doch vergebens. Enttäuschung überkam sie, und sie wollte schon beinah aufgeben als jemand sie an der Schulter berührte. Hastig drehte sie sich um und blickte in die ernsten Augen Thain's. "Was ist denn?", fragte sie ihn verdutzt. Doch Thain antwortete nur mit einem knappen "Sieh doch!", und zeigte in Richtung Mondbrunnen, wo Corryn tatsächlich stand; mit einer Phiole in der einen Hand, deren bläulichen Inhalt er ausgiebig betrachtete.

Thylea atmete tief durch, stützte sich wieder bei jedem Schritt auf ihren Stab und ging gefolgt von Thain und seinem treuen Wolf auf Corryn zu. Sie blieb in respektvollem Abstand vor ihm stehen, und er blickte plötzlich zu ihr hinüber. Dabei umspielte ein leichtes Lächeln seine Mundwinkel. Sogleich verbeugte sich Thylea vor ihm und ergriff das Wort:
"Elune sei mit Euch, ehrenwerter Corryn. Mein Gefährte und ich haben die weite Reise auf uns genommen, um Euch zu bitten, uns in die Gilde der tapferen Silberwölfe aufzunehmen. Ich verspreche Euch, wir werden ebenso tapfer für die Gilde und vor allem für die Allianz kämpfen, wie die Silberwölfe es tun."
Sie legte eine kurze Pause ein und fügte dann fast amüsiert hinzu: "Zumindest wird dies über euch erzählt..."

[Corryn]

"Ich grüße Euch, Reisende, willkommen in Aldrassil.", antwortete Corryn respektvoll und stellte seinen Trank beiseite. "Anscheinend wisst ihr bereits eine Menge über uns, ich hoffe doch, das meiste entspringt nicht nur den Fantasien leichtgläubiger Abenteurer. In der Tat sind wir bemüht, mit besten Kräften den Vorstoß der Geißel und anderer bösartiger Kreaturen zu stoppen - und besonders in Zeiten, in denen selbst die Bewohner Teldrassils nicht vor dem Bösen sicher sind, können wir jede Hilfe gut gebrauchen."

"Doch verratet mir doch erst eure Namen, bevor ich euch in unsere Gemeinschaft eintreten lasse. Ich sehe, dass euer Gefährte sich bereits die Freundschaft eines treuen Tieres gesichert hat, und die Beschaffenheit seiner Ausrüstung zeugt davon, dass er sich auch in der Wildnis behaupten kann. Doch ihr seht mir noch etwas ... unerfahren aus. Sagt, was ist eure Aufgabe in dieser Welt?" Corryn musterte die beiden fragend und setzte sich dann auf den Rand des Mondbrunnens.

[Alachia]

Sie sah etwas benommen aus, dennoch deutete sie erneut eine kurze Verbeugung an. "Verzeiht, in all der Aufregung ist mir glatt enfallen, mich vorzustellen. Mein Name ist Thylea." Mit einer Handbewegung deutete sie auf Thain. "Und dies ist mein Gefährte Thain." Anschließend sammelte sie sich wieder. "Nun, meine Aufgabe ist es, die Wälder und vor allem die Natur zu schützen und zu wahren, mit allem was in meiner Macht steht. Und ebenso will ich auch mein Volk - die Nachtelfen - schützen." Thylea fragte sich dabei insgeheim, ob Corryn sie hierbei auf die Probe stellen wollte.

[Corryn]

Corryn öffnete die Augen, nachdem er eine kurze Zeit nachgedacht hatte. Für Beobachter mochte es nur ein Augenblick der Stille gewesen sein, doch für den Druiden bedeutete dies alle Zeit der Welt. Eine Phase, in der ihm die Stimmen der alten Nachtelfen Zugang zum unendlichen Wissen des Planeten gewähren konnten, würde er sie nur darum bitten.

"Eure Einstellung ist ehrhaft und euer Anliegen aufrichtig, Thylea. Ich bin sicher, ihr beide werdet einen gebührenden Platz in unserer Gemeinschaft finden. Doch bevor ich euch den anderen Silberwölfen vorstellen werde, solltet ihr euch ausruhen."

Corryn stand auf und wies mit seinem Stock auf den von kleinen bläulich schimmernden Lampen beleuchteten Eingang eines mächtigen Baumes. "Im Aldrassil sollten noch einige freie Quartiere vorhanden sein."

[Alachia]

Sie hörte Corryns Worte mit Freuden, nickte dann und erwiderte ihm: "Wir werden unser Bestes tun, um dem Ruf der Gilde gerecht zu werden. Habt Dank für Eure Zeit, Corryn." Sie fasste Thain kurz an der Schulter und bedeutete ihm damit, dass er ihr folgen sollte. Und so schlugen sie ihren Weg zum Gastwirt von Aldrassil ein, um sich einige Zeit für ein Lager zu nehmen.
Ihre erste Quest hatten sie nun erfolgreich abgeschlossen, auf dass sie noch viele weitere bestehen mögen.

[Corryn]

Corryn schaute den beiden frisch aufgenommenen Gildenmitgliedern hinterher, und beobachtete sie, wie sie das Gasthaus im Inneren des Aldrassil aufsuchten. 'So voller Tatendrang', dachte er bei sich, 'wie gut, dass es immer noch Nachtelfen gibt, die nicht verzweifeln, angesichts der sich stetig verbreitenden verderbenden Magie.'

In der Ferne hörte er das dumpfe Grollen der Furbolgs vom Gnarlpine Stamm, die seit einigen Monaten das Dorf Starbreeze besetzt hielten. Jeden Tag zogen die Nachtelfen aufs Neue aus, um das Dorf zurückzuerobern, doch jedesmal fiel die Verteidigung unter dem steten Angriff der Gnarlpines. Mit Wehmut dachte Corryn an die Zeit zurück, als die Kaldorei den Weltenbaum erschufen, und die Furbolgs nur eine von vielen Rassen waren, die friedlich mit den Nachtelfen in der Krone Teldrassils leben sollten. Doch selbst die Macht der großen Drachen hatte nicht verhindern können, dass sich eine dunkle Macht der Wesen bemächtigte. Aber er war sich sicher, irgendwann würden sie den Urheber dieser Verderbnis ausfindig machen.